Was ist ein Gleichdick?
Wie der Name sagt, ist das Gleichdick eine Figur, die
für jede Richtung gleich dick ist.
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Bewegt man zwei Parallelen auf eine Figur zu bis zur
Berührung, so ist der Abstand der Parallelen die Dicke der Figur in
der betreffenden Richtung.
Wenn die Dicke der Figur für alle Richtungen gleich
ist, heißt die Figur ein Gleichdick (rechts angedeutet).
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Man kann das Gleichdick auch so beschreiben:
Hält man das Parallelenpaar, das das Gleichdick
berührt, fest und dreht das Gleichdick, so berührt es die Parallelen
in jeder Lage.
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Greift man zwei zueinander senkrecht verlaufende Parallelenpaare
heraus, so bilden sie ein Quadrat.
Das bedeutet, dass zu einem Gleichdick ein Quadrat gehört,
in dem das Gleichdick in jeder Lage die Seiten berührt. |
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Bogendreieck
top
Das Standard-Gleichdick ist das Kreisbogendreieck oder
Reuleaux-Dreieck.
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Die Figur besteht aus einem gleichseitigen Dreieck mit
drei auf die Seiten gesetzten Kreisabschnitten.
Man erhält die Kreisbögen, wenn man um jeden
Dreieckseckpunkt einen Kreisbogen mit dem Radius der Dreiecksseite zeichnet. |
Das Bogendreieck ist ein Gleichdick aus folgendem Grund:
Ein Parallelenpaar besteht aus einer Tangente und aus
einer Parallelen durch einen Eckpunkt. Diese beiden Geraden haben immer
den gleichen Abstand.
Größen
des Bogendreiecks
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Das Bogendreieck wird i.a. durch die Seitenlänge
a des erzeugenden Dreiecks gegeben.
Diese Größe ist gleichzeitig der Radius der
Kreisbögen und die Dicke des Gleichdicks. |
Umfang
Er setzt sich aus drei 60°-Bögen zusammen. U=3*[(1/6)(2*pi*a)]=pi*a.
Flächeninhalt
Die Figur setzt sich aus einem gleichseitigen Dreieck
und drei Kreisabschnitten zusammen.
A=[(1/4)sqrt(3)a²]+3*[(1/6)pi*a²/6-(1/4)sqrt(3)*a²]=[pi-(1/2)sqrt(3)]a².
Das ist gerundet 0,705a².
Winkel
an einer Ecke
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Eine Dreieckseite steht senkrecht auf einer Tangente.
- Der Innenwinkel des Dreiecks ist 60°.
Also ist der Winkel zwischen der Seite und der Tangente
90°-60°=30°.
Die Winkel zwischen den Tangenten ist also 30°+60°+30°=120°. |
Bogendreieck
im Quadrat
Oben wurde bereits gezeigt, dass sich das Bogendreieck
in einem Quadrat bewegen kann.
Zwei Beobachtungen bei der Bewegung sind bemerkenswert.
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>Der Mittelpunkt des Gleichdicks bewegt sich auf einer
geschlossenen Linie. Diese Schlaufe besteht aus vier Teilabschnitten von
Ellipsen, deren Mittelpunkt in den Eckpunkten des Quadrates liegen.
>Das Bogendreieck berührt die Seiten des Quadrats,
spart aber einen Bereich in den Ecken aus. Die Bögen in den Ecken
sind auch Abschnitte von Ellipsen. |
Auf der Seite von Eric E. Weissteins MathWorld "Reuleaux
Triangle", URL unten, findet man dazu Zeichnungen und Formeln.
Weitere
Beispiele von Gleichdicken top
1
Ein triviales Gleichdick ist der Kreis.
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Die nebenstehende Zeichnung zeigt zweimal eine Tangente
mit ihrem Berührradius.
Der Radius steht senkrecht auf der Tangente. |
2
So wie das gleichseitige Dreieck kann man auch das regelmäßige
Fünfeck mit Kreisbögen versehen.
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Man greift ein gleichschenkliges Dreieck heraus, dessen
Spitze in einem Eckpunkt und dessen Grundseite eine Fünfeckseite ist.
Dieses Dreieck erhält einen Kreisbogen.
Das wiederholt man für alle Ecken bzw. Seiten des
Fünfecks. |
Dieses Verfahren kann man auf regelmäßige Vielecke
mit einer ungeraden Anzahl von Ecken übertragen.
Diese Vielecke heißen Reuleaux-Polygone.
3
Die Vielecke müssen nicht regelmäßig
sein. Hier ist eine Zeichenvorschrift für ein Fünfeck.
1 Zeichne einen passenden Kreisausschnitt ABC.
2 Zeichne einen Kreis um C durch B und lege D beliebig
fest.
3 Zeichne einen Kreis D durch C.
4 Zeichne einen Kreis um A durch B und nenne den Schnittpunkt
mit dem Kreis um D Punkt E.
5 Zeichne einen Kreis um E durch A und D.
Die fünf Punkte bilden ein sich selbst überschlagendes,
gleichseitiges Fünfeck (1).
4
Man kann das Bogendreieck zu einem Gleichdick ohne Ecken
weiterentwickeln.
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Man geht vom Bogendreieck aus und vergrößert
die Kreisabschnitte, indem man einen größeren Radius wählt.
Damit wird der Abstand des Parallelenpaars größer, die Richtung
bleibt aber erhalten.
Füllt man die Lücken mit Kreisausschnitten,
so bleibt es auch hier bei einem konstanten Abstand der Parallelen.
Das "aufgeblähte" Bogendreieck ist also auch ein
Gleichdick. |
5
Das Verfahren unter 4 kann
man auch auf das Fünfeck unter 3 anwenden.
...
Sätze über
Gleichdicke
top
In diesem Kapitel werden aus dem Buch von Rademacher/Toeplitz
(1) allgemeine Aussagen zum Gleichdick zusammengestellt. Die Beweise fehlen
hier. Sie sind zum Teil sehr anspruchsvoll und können nicht mit ein
paar Zeilen abgetan werden.
1
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Die Dicke einer Figur ist nicht unbedingt der Abstand
zweier Parallelen, die die Figur berühren. Die linke Figur spricht
dagegen. Rademacher-Toeplitz führen deshalb die Stützgeraden
ein, die man als Grenzgeraden von parallelen Projektionsstrahlen erhält.
Die Dicke ist dann der Abstand der Stützgeraden. |
Die Stützgerade wird bei de.wikipedia erwähnt.
2
Es gibt beliebig viele Gleichdicke. Das zeigen die Beispiele
oben.
3
Alle Gleichdicke sind konvex.
4
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Oben wurde gezeigt, dass das Bogendreieck einen Flächeninhalt
von A=0,705a² (gerundet) hat.
Im Vergleich ist der Flächeninhalt des Kreises gleicher
Dicke A'=pi*a²/4.
Das ist gerundet 0,785a².
Der Flächeninhalt des Kreises ist größer. |
Das gilt allgemeiner: Jedes Gleichdick hat einen kleineren
Flächeninhalt als der Kreis gleicher Dicke.
5
Oben wurde gezeigt, dass der Winkel an einer Ecke des
Bogendreiecks 120° beträgt. Das ist ein Grenzwert.
Es gilt nämlich der Satz: Jeder Winkel an der Ecke
eines Gleichdicks ist mindestens 120° groß.
6
Der Umfang des Bogendreiecks ist U=pi*a.
Der Umfang des Kreises gleicher Dicke ist U'=2*pi*(a/2)=pi*a.
Die Umfänge sind also gleich.
Das kann zu dem folgenden erstaunlichen Satz verallgemeinert
werden.
Jedes Gleichdick hat den gleichen Umfang wie der Kreis
gleicher Dicke.
7
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Die auf dieser Seite aufgeführten Gleichdicke werden
von Kreisbögen begrenzt.
In (1) gibt es einen Satz zur Existenz von beliebigen
Gleichdicken.
Gegeben ist ein konvexer Kurvenabschnitt mit der Sehnenlänge
a und zwei Stützgeraden in den Eckpunkten. Dann ist es immer möglich,
die Figur zu einem Gleichdick mit der Dicke a zu ergänzen. |
Gleichdick als Rad
top
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Wenn man schwere Lasten in der Horizontalen weiterbewegen
will, benutzt man Walzen.
Man kann sie ohne weiteres durch Gleichdicke ersetzen.
Das wird zum Beispiel in der Phänomenta in Lüdenscheid demonstriert
(gesehen im Juni 2006). |
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Anders ist es bei achsenfesten Rädern.
Ersetzt man die Kreise durch Bogendreiecke als Querschnitt,
so bewegt sich die Last während des Rollens auf und ab.
Man kann die Achse und damit die Last in gleicher Höhe
halten, wenn man für einen passenden Untergrund sorgt. |
Dazu gibt es im Deutschen
Museum im Mathematischen Kabinett ein schönes Experiment (gesehen
2003). Das "Rad" ist ein Quadrat und der passende Untergrund wird aus Kettenlinien
mit f(x)=(ex+e-x)/2 gebildet (2).
Anwendungen top
Das Gleichdick als Rad ist eine Spielerei. Jedoch gibt
es eine Reihe sinnvoller Anwendungen, die man zum Beispiel bei Wundersamessammelsurium
(URL unten) finden kann.
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Ich greife ein Beispiel heraus.
Auf mich machen das englische 50- und das 20-Pence-Stück
Eindruck.
Die Münze hat die Form eines siebeneckigen Reuleaux-Polygons
(mit runden Ecken).
>Die Münze passt genau wie eine runde Münze
in jeder Lage in den Schlitz eines Automaten.
>Der Materialverbrauch ist geringer als bei einer gleich
großen, kreisförmigen Münze.
>Die Münze ist auffällig und Blinde können
sie leicht ertasten.
>Die Münze hat eine schöne und originelle Form. |
Kakeya Problem
top
Der Durchmesser des Kreises ganz links kann im Kreis
um 360° frei gedreht werden.
Man kann in jedem Gleichdick eine Strecke in dieser Weise
drehen.
S.Kakeya warf 1917 die Frage auf, ob es eine Figur gibt,
in der man eine Strecke auch frei drehen kann (Translation auch erlaubt),
die aber einen möglichst kleinen Flächeninhalt hat.
S.Kakeya glaubte, in einer speziellen Hypozykloide, dem
Deltoid mit x=2sin(t)-sin(2t) /\ y=2cos(t)+cos(2t), die Lösung seines
Problems gefunden zu haben.
Während der nächsten zehn Jahre wurde das Problem
von vielen erstklassigen Mathematikern ohne Erfolg in Angriff genommen.
Eine unerwartete Lösung veröffentlichte A.S.Besicowitsch 1928.
Es gibt keine kleinste Fläche (3, Seite 91 ff.).
Gleichdicke im
Internet top
Deutsch
André Mössner
Reuleaux-Dreieck
in Fahrt
Christof Weber
Gleichdick
– Körper konstanter Breite
Randolf Rehfeld (Wundersamessammelsurium)
Gleichdick
Wikipedia
Franz
Reuleaux,
Gleichdick,
Reuleaux-Dreieck
Englisch
Alexander Bogomolny
Shapes
of constant width
Eric W. Weisstein (MathWorld)
Curve
of Constant Width, Delta
Curve, Kakeya
Needle Problem, Reuleaux
Polygon, Reuleaux
Tetrahedron
Reuleaux
Triangle
Paul Kunkel
Reuleaux
Triangle
Wikipedia
Curve
of constant width, Franz
Reuleaux, Reuleaux
triangle, Kakeya
set
Referenzen top
(1) Rademacher-Toeplitz: Von Zahlen und Figuren, Springer,
Berlin, Heidelberg, New York1968 (Nachdruck von 1930)
(2) F.L. Bauer, Einladung zur Mathematik, Deutsches Museum,
München (ISBN 3-924-18349-X]
(3) C.Stanley Ogilvy: Unterhaltsame Geometrie, Braunschweig,
Wiesbaden 1976 [ISBN 3 528 08314 x]
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©
2005 Jürgen Köller
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